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Wieviel Harald verträgt der Mensch?
 
Die dritte Show für Herrn Schmidt im Ersten: 'Schmidteinander' nun am späten Samstagabend
 
VON ARNOLD HOHMANN
 
Samstag, 15. Januar 1994 MEDIEN Süddeutsche Zeitung Nr. 11 / Seite 28

 
'Harald Schmidt kann man nicht abkupfern', schreibt sein Partner Herbert Feuerstein in dem Prosa- und Bildband zur Show 'Schmidteinander', den die Pressestelle des WDR herausgegeben hat. 'Ich bin mir nicht mal sicher, ob es ihn überhaupt gibt.' Schmidt selbst nimmt das offenbar wörtlich: Weil er nun mal nicht kopierbar ist, macht er lieber gleich alles selbst. Drei Shows hat er mit 'Psst. . .', 'Verstehen Sie Spaß?' und nun auch noch 'Schmidteinander' in der ansonsten ziemlich ausgebluteten ARD-Unterhaltung plaziert. Kaum vergessen sind seine spätsamstäglichen 'Galas' und monomanisch, wie er nun mal veranlagt ist, schleicht er sich permanent auch noch in alle möglichen anderen Sendungen. Man hat den Eindruck, daß er sich über Preise nur freut, weil ihm das wieder einen Auftritt sichert - vom 'Telestar' über den 'Bambi' bis zur 'Goldenen Europa'. Selbst die Heurigenseligkeit eines Peter Alexander schreckt ihn wenig, wenn er sich vor großem Publikum wieder einmal als Lästermaul in Szene setzen darf - seine liebste Rolle. Müßig zu sagen, daß Schmidt es heute tatsächlich fertigbringt, sich noch vor seiner eigenen Show als 'repräsentativ ausgewählter Zuschauer' via Liveschaltung auch noch in Gottschalks Comeback bei 'Wetten, daß. . .?' einzuklinken. Die Frage, wieviel Schmidt der Durchschnittsmensch überhaupt in der Lage ist zu ertragen, interessiert ihn dabei herzlich wenig. 'Ich laß mich verheizen, so lange es das Publikum schön warm dabei hat' - der Energieträger gibt sich selbstbewußt. Der Markt sei heute so eng und schnell geworden, 'wer da ein halbes Jahr weg ist, den erkennt das Publikum nicht mehr'.
 
Die Comtessa Gunilla
 
Mit dem Wechsel von 'Schmidteinander' nach 32 West 3-Ausgaben ins Erste fährt der derart Getriebene sein schwerstes Geschütz in den ungeschützten Raum samstäglicher ARD- Belustigung. Die einstündige Nonsense- Show, die ein Kritiker mal als 'Abendunterhaltung für geistig Verwahrloste' eingestuft hat, gibt sich als wirres Gemisch aus Kürzest- Sketch, Talk-Show, Parodienreigen und vorbereitetem und improvisiertem Small talk zwischen Schmidt und seinem nur größenmäßig unterlegenen Partner Feuerstein, der durch lange Jahre auf dem Chefredakteursklappstuhl des deutschen Mad Gag-gestählt ist. Feuerstein hat die Gabe, die Dinge auf den Punkt zu bringen, und wenn er 'Schmidteinander' in einem eleganten Definitions-Rittberger als 'Reality-TV für Verhaltensgestörte' bezeichnet, dann mag man ihm als mehr oder weniger regelmäßiger Konsument da nicht widersprechen. Vor allem ist 'Schmidteinander' eine Sendung, in der das ungewöhnliche Duo (Feuerstein: 'Es war Abneigung auf den ersten Blick.') seine Lust am Verkleiden und auch an der Travestie voll ausleben darf: Ob Schmidt nun als Comtessa Gunilla Benimmregeln seziert, ob Feuerstein als 'Hänschen Klein' die Welt durch die Gitterstäbe seines Laufstalls betrachtet, oder ob beide, gemeinsam mit der gutmütigen 'Oma Sharif', als Hinterwäldler- 'Familie Lucky' dem Prinzip der Fortsetzung völlig neue Dimensionen eröffnen - längst sind nicht alle Gags gelungen, muß sich mancher Witz den Weg durch ein lustvoll arrangiertes Chaos bahnen, bis er zünden kann. Sehr von der Tagesform hängt auch die Qualität des Gesprächs mit dem jeweiligen Talk- Gast ab. Der kann sich mal extrem genervt fühlen und stinksauer das Studio verlassen, wie Michael Stichs Ehefrau Jessica Stockmann, der kann auch mal ganz unvorhergesehen Streicheleinheiten am laufenden Band bekommen, wie etwa Monika Hohlmeier in der letzten West-3-Sendung. War dieses kreuzbrave PR-Gespräch etwa schon der Preis für den Eintritt ins Erste? Natürlich nicht, wehrt Schmidt ab, 'wir enttäuschen nur gern Erwartungshaltungen'. 'Schmidteinander' wird es künftig an 18 Samstagen im Jahr geben, und zwar jeweils gleich nach dem 'Wort zum Sonntag'. Eine Ehre, der er sich doch wohl würdig erweisen wird? 'Mindestens 95 wahnsinnige Openings sehe ich schon vor mir', schwärmt Schmidt und denkt wollüstig an die Doppelnamen der Pastorinnen bei deren religiösem Monolog. 'Aber kirchenkritisch - nie', versichert der permanente Bildschirmgast. Was ihm bei seiner heutigen ARD-Premiere verdammt schwerfallen wird. 'Das Wort zum Sonntag' spricht Oda-Gebbine Holze- Stäblein.
 
'REALITY-TV für Verhaltensgestörte' - so urteilt Herbert Feuerstein über die Sendung, die er mit dem nur körperlich größeren Harald Schmidt macht. Und mit Oma Sharif.

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