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Im Reich des Zynismus - Schmidteinander
 
VON ARNO MAKOWSKY
 
Montag, 17. Januar 1994 MEDIEN Süddeutsche Zeitung Nr. 12 / Seite 11

 
Wer gelegentlich ins Kabarett geht, ist mit der aktuellen Komiker-Krise bestens vertraut: Noch immer reißen da unheimlich engagierte Nachwuchs-Hildebrandts lustige Kohl-Witze und lassen den Geist der political correctness durch die Wirtshaus-Hinterzimmer wehen. Das geht bewußtseinsmäßig voll in Ordnung, ist aber leider stinkfad. Zu Zeiten, in denen kein Mensch mehr weiß, wo politisch oben und unten ist, gibt es für den Entertainer deshalb nur einen korrekten Weg: Anarchie! Ungebremste Blödelei statt Belehrung, Zersetzung statt konstruktive Kritik. Auf der Bühne und im Kino hat es in diesem Genre der Schwachsinns-Virtuose Helge Schneider zu großer Meisterschaft gebracht. Und im Fernsehen kalauert sich Harald Schmidt gerade zum Großfürsten im Reich des Zynismus hoch: Seine Show 'Schmidteinander', im Dritten seit Jahren ein Pflichttermin für Satirefreaks, erhebt nun auch in der ARD das Chaos zum Stilprinzip. In der Familiensendung 'Verstehen Sie Spaß?' kaufen sie Schmidt den netten Fernsehonkel noch ab; bei 'Schmidteinander' wird der Biedermann zum Brandstifter: Die Rituale des Fernsehens - 'Guten Abend, Herr Schmidt', brüllt das Publikum nach der pseudo-jovialen Begrüßung - veralbert er ebenso wie den Betroffenheits-Jargon der TV-Moderatoren: 'Heute darf wieder eine Randgruppe anrufen.' Sein Kompagnon Herbert Feuerstein ('Drei Jahre jünger als Udo Jürgens') ist weder witzig noch besonders schlagfertig, und in seiner Unbeholfenheit gerade deshalb wunderbar. Ihre Kalauer holen die beiden grundsätzlich aus der untersten Schublade, ihre Gags pendeln zwischen vollidiotischem Gestammel - 'Wie wiehern Pferde, wenn sie küssen?' - und wirklich witzigen Einfällen etwa über den 'Hochadel im Hochwasser': Entnervt muß Comtessa Gunilla mitansehen, wie ihre Champagnerkisten wegschwimmen - dieses Elend! Und die 'Drombusch'-Nummer mit Onkel Ludwigs Begräbnis ist in ihrer ätzenden Gemeinheit unvergleichlich: 'Du bist für deine Werte gestorben', labert Pfarrer Harald Schmidt am offenen Grab: 'Leberwerte, Fettwerte, Cholesterinwerte . . .' - und die Gemeinde wirft als letzten Gruß ein paar Torstenstückchen auf den Sarg. Sicher, manchmal hängt 'Schmidteinander' auch schwer durch: Jürgen von der Lippe als Studiogast beispielsweise ist weder witzig noch tragisch (beides wäre okay), sondern nur langweilig. Und natürlich kommt diese Sendung politisch vollkommen unverbindlich daher. Harmlos ist sie deshalb noch lange nicht. Harald Schmidt, das steht fest, ist der Entertainer des Zeitgeists.
SZ - Medien 17.1.1994 - Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München