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TV SpielfilmDer Gipfel des Unsinns
 
Nich mit Leo

 
TV SPIELFILM bat die Hohepriester der ARD-Unterhaltung zum Dreier-Talk über ernste Themen wie vorehelicher Sex, schwule Religionslehrer und den Fluch, heterosexuell zu sein.
 
Bei den Dreharbeiten zu dem Film "Mutter ißt keinen Fisch" sprach TV SPIELFILM mit dem Humor-Dreier-Pack.
 
TV SPIELFILM: Herr von der Lippe, in Ihrem ersten Kinofilm wird man Sie in einer Doppelrolle als Pfarrer und Bordellbesitzer erleben. In welchem Metier kennen Sie sich denn besser aus?
 
LIPPE: Bis zu meinem Kirchenaustritt 1970 war ich sehr, sehr stark in der katholischen Kirche engagiert. Ich war nicht nur Vorbeter und Meßdiener, sondern habe mich auch an die strengen katholischen Moralvorschriften gehalten. Heute nehme ich es der Kirche ein bißchen übel, daß ich dadurch den Höhepunkt meiner sexuellen Leistungskraft, der ja so um das sechzehnte Lebensjahr anzusiedeln ist, verschlafen habe.
 
TVS: Keinen Sex vor der Ehe?
 
LIPPE: Genau.
 
TVS: Sie waren noch Jungfrau, als Sie mit Frau Schreinemakers das erste Mal...
 
LIPPE: .. .jetzt haben Sie in meiner Vita aber ein bißchen rumgeschlampt. Bevor ich Frau Schreinemakers geheiratet habe, war ich ja schon mal verehelicht. Und lange bevor ich der Kirche den Rücken zugewandt habe, ist auch schon das ein oder andere gelaufen. Ich will ja nicht prahlen...
 
TVS: Also doch Sex vor der Ehe!
 
LIPPE: Da gab es mal zwei, drei Sachen.
 
TVS: Das erste Mal, wie war das bei Ihnen, Herr Schmidt und Herr Feuerstein?
 
SCHMIDT: Ich kann mich nicht mehr erinnern.
 
FEUERSTEIN: Ich warte noch drauf.
 
LIPPE: Lassen Sie mich das noch zum Thema "Kirche" sagen: Mein Vater war Barkeeper in Aachens bester Striptease-Bar. Ich feierte so, obwohl ich natürlich wegen der mir bekannten ka-tholischen Moralvorschriften hin- und hergerissen war, meinen sechzehnten Geburtstag in dieser Bar.
 
FEUERSTEIN: Dann ist der Film ja richtig biographisch. Finde ich toll. Alle Achtung!
 
SCHMIDT: Ich war vor drei Jahren zum ersten Mal nach der Aufzeichnung der Sendung "Heiße Schwenks und scharfe Schnitte" in einer Striptease-Bar. Das ging bis morgens um halb sieben. Wir wollten da neulich mal wieder rein, war aber schon zu.
 
FEUERSTEIN: Ja, ich habe davon gehört.

TVS: Haben Sie mal wegen lockerer Sprüche in Ihrer Sendung Ärger mit der Kirche gehabt?
 
LIPPE: Schon als ich den "WWF-Club" moderiert habe, stand der Beauftragte der katholischen Kirche jede Woche auf der Matte. Er fand die Kirche schon immer von mir liebevoll bedacht. Wirkungsvolle Comedy besteht nun mal unter anderem darin, daß man Tabus ankratzt. Und Tabuthemen sind Kirche, Gewalt, Zeitgeist und das Sexuelle. Denn alle Leute, gerade meiner Altersklasse, sind natürlich aufgrund des kirchlichen Einflusses mit Verklemmungen aufgewachsen.
 
TVS: Waren Sie auch verklemmt, Herr Schmidt?
 
SCHMIDT:
Absolut. Die Verklemmungen führten dazu, daß man im Pfadfinderlager permanent versucht hat, sich gegenseitig an die Eier zu fassen.
 
FEUERSTEIN: Ach so, jetzt versteh' ich das.
 
SCHMIDT: Das hieß dann verbalisiert "eiern". Das war mehrere Jahre lang hintereinander in Pfadfinder-Zeltlagern ein regelrechter Sport. Wenn dort gesagt wurde: "Das Mikro braucht einen Ständer", wurde schallend gelacht. Auch die Frage "Ist die Sahne schon steif?" trug zur allgemeinen Heiterkeit bei. Diese Lebensphase hatte ich eigentlich abgeschlossen, aber als ich dann Feuerstein kennenlernte, wurde alles wieder hervorgeholt.
 
FEUERSTEIN: Jetzt fassen wir uns wieder an die Eier.
 
SCHMIDT: Worauf wir uns jetzt aber nicht versteifen sollten.
 
FEUERSTEIN: Ich war kein Pfadfinder. Wir hatten allerdings einen schwulen Religionslehrer, der versucht hat, den Jungs an die Eier zu greifen. Nur mir nicht. Das hat mich damals sehr verstört.
 
LIPPE: War das eine Zurückweisung?
 
FEUERSTEIN: Ja, das war sehr schlimm. Das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin und worunter ich auch sehr leide. Ich bin nämlich heterosexuell. Das ist ein Fluch.
 
TVS: Sind Sie eine Minderheit beim WDR?
 
FEUERSTEIN: Das weiß ich nicht, das habe ich nie ausgetestet. Durchprobiert habe ich das nur mit den Frauen. Das war meistens o.k.
 
TVS: Sind Sie alle heterosexuell, meine Herren?
 
LIPPE: Man sollte sich da nie so festlegen. Als Rosa von Praunheim damals diese Outing-Welle angestoßen hat, begann ich meine Sendung mit folgenden Sätzen: "Ich darf Ihnen gleich sagen, ich bin bisexuell, das heißt, ich kann nur zweimal pro Jahr." Kurz danach sprach mich während eines Inlandfluges ein Steward an und sagte: "Ich fand das ganz tapfer von Ihnen." Der hatte nach dem Stichwort "bisexuell" schon nicht mehr zugehört. Ich werde den Teufel tun und die homosexuelle Zuschauerschaft vor den Kopf stoßen. Jeder, der mal einen Auftritt in der schwulen Szene gemacht hat, weiß, daß das ein sagenhaft gutes Publikum ist.
 
TVS: Sie hacken mit Ihren Gags also nicht auf Minderheiten wie zum Beispiel Schwulen rum?
 

 
Nein, nicht auf Minderheiten. Man muß auf selbsternannten Mandatsträgern rumhacken, das will das Publikum hören. Aus der Sicht des klei-nen Mannes gegen solche, die uns Vorschriften machen wollen. Das ist der richtige Weg. Ein Beispiel: Wir leben im Moment in einer Zeit, wo die Geduld der Bevölkerung mit dem Papst am Ende ist. Das ist jetzt die letzte Möglichkeit, auf ihm rumzuhämmern, denn bald ist der Papst keine Autorität mehr, und dann lacht auch keiner mehr über ihn. Spätestens beim übernächsten Papst wird auch das Zölibat fallen. Es gibt dafür ohnehin keine neutestamentarische Begründung. Das war ein Willkürakt, wie wir alle wissen.
 
TVS: Jeder hat das Recht auf Verarschung, Herr Feuerstein. Da bleibt auch in Ihrer Sendung kei-ner ausgespart.
 
FEUERSTEIN: Wir gehen dabei aber in eine etwas andere Richtung als Jürgen von der Lippe. Der schöne Begriff Realsatire paßt, glaube ich, besser zu uns. Wir erklären die Gesamtheit als lächerlich und komisch. Ich persönlich habe nicht das Anliegen, mit Satire etwas aufzuschlüsseln, zu verändern oder anzugreifen. Ich weiß nicht, was Schmidt dazu sagt?
 
SCHMIDT: Wir haben keinen aufklärerischen Anspruch. Wir machen einfach was.
 
FEUERSTEIN: Das ist nicht mal Verarschung. Das ist eine Sicht des Lebens.
 
SCHMIDT: Es funktioniert auch nur in der Kombination mit uns beiden; man könnte das nicht allein und auch nicht mit jemand anderem machen. Ich weiß auch nicht, warum es überhaupt klappt. Da fällt uns zum Beispiel so etwas wie diese Schumacher-Grimasse ein. Das ist eigentlich gar nichts. Dann lebt man wieder vier Wochen davon und hofft, daß wir eine neue Idee in dieser Richtung haben.
 
LIPPE: Aber es ist deshalb ko-misch, weil es bei diesem Schumacher-Fieber eine Majestätsbeleidigung ist. Nur deshalb lachen die Leute.
 
TVS: Haben Sie drei denn vor gar nichts Respekt?
 
SCHMIDT: Für einen Lacher verkauft man seine Großmutter. Ich überlege mir für mein Kabarettprogramm wirklich nur, wo gelacht werden könnte. Ob sich irgend jemand auf den Schlips getreten fühlt, das ist mir völlig egal.
 
LIPPE: Man könnte natürlich mit Ausländerwitzen Lacher holen. Aber das macht niemand von uns. Wir sind grundsätzlich immer wieder erschrocken, wenn wir Beifall von der falschen Seite bekommen. Als ich vor Jah-ren das Lied "Fifty Ways To Leave Your Lover" eingedeutscht als "50 Tricks, die Liebste loszuwerden" präsentiert habe, kamen Briefe, in denen stand: "Endlich zeigt's mal einer den Weibern." Da kommt man dann doch schon ins Grübeln.
 
FEUERSTEIN: Wir bekommen nur fünf bis zehn böse Briefe bei vier Millionen Zuschauern, die "Schmidteinander" sehen. Das ist fast schon erschreckend.
 
LIPPE: Das verstehe ich nicht. Ich brauche nur etwas über Hunde zu sagen, schon habe ich hundert wütende Briefe.
 
SCHMIDT: Ich glaube, wir beide werden gar nicht ernstgenommen. Wir sind die Chaoten, von denen die Leute denken: Das sind die Zwei, die sowieso spinnen.
 
TVS: Herr Feuerstein, "Schmidteinander" ist für Sie ja die "Reality-Show für Verhaltensgestörte". Was ist dieser Film für Sie?
 
FEUERSTEIN: Der Film für Verhaltensgestörte. Nein, im Ernst: Was ist dieser Film für mich? Herr von der Lippe sagt ja immer über seine Schauspielereikünste, er sei ein Laie. Wenn ich das höre, dann bin ich, wie soll ich's sagen, ein Stück Scheiße?
 
SCHMIDT: Das ist zu hoch gegriffen.
 
INTERVIEW: KLAUS KRIESEL

Copyright by TV Spielfilm, 6.-19.August 1994 - Alle Rechte vorbehalten.