Süddeutsche Zeitungzurück
 
Die ARD setzt 'Pssst . . .' ab
 
'Wir haben wenig Anlaß, Harald Schmidt weiter zu pflegen'
 
VON TITUS ARNU
 
Donnerstag, 10. August 1995 MEDIEN Süddeutsche Zeitung Nr. 183 / Seite 13

 
Das Erste will seinen Zuschauern witzige Personen der Zeitgeschichte vorenthalten: einen Unterwasserjodler; ein Ehepaar, das Brillen-Verhüterli erfunden hat; einen Kellner, der der Queen die Suppe serviert; eine Schwedin, die Elchmist in Gläsern verkauft. Diese skurrilen Figuren wären am kommenden Dienstag in Harald Schmidts Rateshow Pssst . . . aufgetreten. Doch die ARD hat beschlossen, die Reihe abzusetzen. Am Dienstag dieser Woche fiel Pssst . . . wegen einer Fußballübertragung aus. ARD-Unterhaltungskoordinator Rüdiger Hoffmann fand, das sei 'die passende Gelegenheit, mit der Show aufzuhören'. Denn mit durchschnittlich 2,8 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von nur zehn Prozent sei Schmidt weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. 'Erwartungen' formuliert die ARD seit vergangenem Jahr in Sendeplatzbeschreibungen, in denen der angestrebte Marktanteil festgelegt ist. Schmidt habe 'nur knapp über die Hälfte' der Zuschauerzahlen erreicht, die im Sendeplatzprofil vorgegeben waren. Die Elchmist-Episode wäre ohnehin die letzte Folge von Pssst . . . gewesen. Zusammen mit der ungesendeten Folge vom ARD-Fußball-Abend bleiben von der zwölfteiligen Staffel, die der WDR im vergangenen Juni mit Harald Schmidt und seinem Rateteam (Elke Heidenreich, Herbert Feuerstein, Mariele Millowitsch, Ingolf Lück) vorproduzierte, zwei Folgen übrig. Spaß-Master Schmidt moderierte alle 78 Folgen des satirischen Ratespiels, die der Kölner Sender in fünf Jahren drehte. 1990 startete die Gameshow im dritten Programm des WDR und war auf Anhieb sehr erfolgreich. Im Ersten kam die Reihe nicht so gut an, am Schluß schauten nur noch 2,2 Millionen zu. 'Dem Quotenargument muß man bei diesen Zahlen einfach folgen', sagt Michael Au, der Pssst . . . beim WDR produzierte. 'Wir wollen nicht den Mißerfolg pflegen', sagt ARD-Unterhaltungschef Hoffmann, 'wir wollen, daß die ARD erfolgreich ist.' Trotzdem drängt sich die Vermutung auf, daß Harald Schmidt im Vergleich zu anderen prominenten ARD- Moderatoren schneller fallengelassen wurde; Pssst . . . war ja keine Sendung, die im Vorabendprogramm unbedingt hohe Marktanteile erreichen mußte - also dann, wenn im Ersten Werbung läuft. Der Hintergrund ist eher Schmidts Abschied von der ARD. Er wechselt zum Privatsender Sat 1. 'In diesem Fall sahen wir wenig Anlaß, Harald Schmidt weiter zu pflegen', gibt Rüdiger Hoffmann zu, 'denn er hat ja der ARD den Rücken gekehrt.' Statt Harald Schmidt will die ARD nun einem anderen Spaßvogel beim Aufplustern behilflich sein, der sich in Zukunft mehr für das Erste Programm einsetzen will: Hape Kerkeling. Vom 15. August wiederholt die ARD auf Schmidts Sendeplatz sieben Folgen der Kerkeling-Show Total Normal. In dieser Sendung gibt es zwar keinen Elchmist in Gläsern, dafür sei die von Radio Bremen produzierte Show 'garantiert ein Erfolg', verspricht Rüdiger Hoffmann, der nicht nur Unterhaltungskoordinator, sondern auch Fernsehdirektor von Radio Bremen ist. Außerdem sei die Wiederholung ein 'maßgeschneiderter Vorlauf' für die neue Kerkeling-Show, die im Herbst startet - natürlich im Ersten.
SZ - Medien 10.8.1995 - Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München