Süddeutsche Zeitungzurück
 
Windgebeutelt im ewigen Eis
 
Am 1. Feiertag: 'Feuersteins Reisen' beginnen in Alaska
 
VON MARCUS HERTNECK
 
Samstag, 23. Dezember 1995 MEDIEN Süddeutsche Zeitung Nr. 296 / Seite 21

 
2235 ARD Nicht mehr lang, nur noch ein paar Stunden, dann wird das Reisen per Fernsehen wieder schön. Herbert Feuerstein war in Alaska, in der Südsee und in Arabien. Und anders als die anderen TV-Reiseführer, zeigt er uns, was ihm persönlich wichtig an diesen Ländern ist und nicht das, was anderen wichtig sein könnte. Alaska. Feuerstein sitzt windgebeutelt in der Öde auf einer Gletscherzunge und studiert die Landkarte. Vom Hubschrauber aus filmt ihn Stephen Simon wie einen James-Bond-Zögling im ewigen Eis. Erik Theisen kämpft zeitweise vergebens mit den akustischen Verhältnissen, und der Regisseur und Produzent Godehard Wolpers von 08/15-Entertainment wird stur ausharren, bis der Sturm dem Feuerstein die Karte aus den Händen reißt. Feuerstein wird (fast freihändig) Hundeschlitten fahren, ziemlich verloren mitten auf dem Polarkreis stehen und in 20 Zentimeter Tiefe nach Eis buddeln. Er wird 'am Arsch der Welt' Öl zapfen, Gold waschen und einen bunten Friedhof der Eskimos ethnologisch kühn analysieren. Große Bären werden zu sehen sein. Feuerstein wird erklären, wie man sie überlebt. Und zum Schluß wird er gemeinsam mit einigen Alaska-Deutschen den Musikantenstadel proben. Das wird dann alles gewesen sein, was Alaska dem Feuerstein zu bieten hat. Die Filme sind nicht satirisch gemeint, auch wenn sie auf witzig gemacht sind. Sie sind nur besser als die sonstigen Urlauberfilme von Amateuren - und sie haben den ganz persönlichen Charme von Herbert Feuerstein. Wenn der vor laufender Kamera seine Armbanduhr vor die Kamera streckt und dann auf die Mitternachtssonne zeigt, wissen wir mit ihm: 'Die Welt ist voller Wunder.' Dasselbe dann auch am Dienstag (22.35 Uhr), wenn Feuerstein im Regenwald von Malakula mit den Kannibalen tanzt, sein Leben der Quote opfern will und sich vor die glühenden Lavabrocken eines aktiven Vulkans stellt. Oder am Mittwoch (23 Uhr), wenn er sich in Arabien mit Beduinen auf die Suche nach der Fata Morgana macht, 'es gibt sie, wirklich?'. Feuerstein überprüft die Welt und testet ihre Wunder. Der TV-Komiker von einst mit dem bissigen Kleinmut avanciert zu einem tapferen Reiseführer der Future-Generation: Ein jeder kennt Alaska, den Inselstaat Vanuatu (nun ja . . .) oder das Sultanat Oman. Aber wer kennt den Feuerstein? So richtig wirklich? Man muß sich nur umhören, Urlaubsgeschichten zuhören, schon läßt sich der Trend zum Feuerstein absehen: Reiseführer wie er sind allemal spannender als ihre Routen.
SZ - Medien 23.12.1995 - Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München