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Darum ist's am Rhein so schön
 
VON ESTHER GEORGE
 
Mittwoch, 24. Juli 2002

 
Seit Heinrich Heines Gedicht von der geheimnisvollen Loreley eine Lawine von Versen und Prosa über die Jungfer am Felsen in St. Goarshausen in Gang gesetzt hat, ist die betörende Dame aus der deutschen Rhein-Romantik nicht mehr wegzudenken. Mal als Unglückliche, die sich aus Liebeskummer in die Fluten stürzt und für alle Zeiten mit "Vater Rhein" verbindet, mal als Symbol verführerischer Schönheit, die mit Gesang und goldenem Haar auf fast hexenhafte Weise die Männer ins Verderben reißt - und deswegen für jedes Unglück auf dem Fluss herhalten muss.
 
Die große Rhein-Gala "Fräulein Loreley oder Ich weiß nicht, was soll es bedeuten" beim Rheingau Musik Festival bot beides: schwelgenden, dramatischen Schmelz und charmante Operettenklänge mit dem WDR Rundfunkorchester Köln unter der Leitung seines Chefdirigenten Helmuth Froschauer. Nicht minder vergnüglich kommentierte Moderator Herbert Feuerstein die bewegenden Schicksale aus Musik und Literatur, die sich um die Loreley und ihren Zauber ranken. Den Zuhörern im Wiesbadener Kurhaus bescherte Feuersteins trockener, ironischer Humor einen höchst amüsanten Abend.
 
Rheinromantik im Dreiklangsgewand mit dem "Einzug der Götter nach Walhall" aus Wagners "Rheingold" oder die "Loreley-Rhein-Klänge" im Dreivierteltakt von Johann Strauß (Vater) durchzogen musikalisch die Sage. Zum wohl dosierten, federnden Klang des Orchesters gesellten sich die beiden fabelhaften Solisten Gabriele Fontana (Sopran) von der Staatsoper Berlin und Peter Galliard (Tenor) von der Staatsoper Hamburg, die in diesem durch und durch deutschen Sujet wandelbare Interpretationen lieferten. Vor allem Gabriele Fontana begeisterte mit ihrer brillanten Höhe als Loreley in Alfredo Catalanis gleichnamiger und höchst unheilvoller Oper. Inhaltsreich und mit glasklarer Diktion entwarf sie zudem in Max Bruchs Oper "Die Loreley" das Bild der Bertha, die ihren Angetrauten an die verführerischen Kräfte der Rheinschönheit verliert. Galliard war der Sopranistin mit seinem mühelos hohen Tenor ein kongenialer Partner.
 
Leichte Kost servierte das WDR Rundfunkorchester mit Auszügen aus Paul Linckes Operette "Das Fräulein Loreley". Hier wandelt sich das Bild, denn die Sagengestalt wird nun zur lebenslustigen Berlinerin Grete, die zwar Männer betört, aber nicht umbringt, kokett interpretiert von Gabriele Fontana. Das liebenswerte "Zahnradbahn-Couplet", ebenso liebenswert gesungen von Herbert Feuerstein, und der vom Rundfunkorchester schmissig musizierte "Vater-Rhein-Festmarsch" gaben den Besuchern die Antwort auf Heines Vers "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten": Ohne die Loreley am Rhein hätte es zumindest nicht diesen schönen musikalischen Abend gegeben.

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