Über
den Schatten gesprungen
Trickfilm-Firma
«Motionworks» gibt in Halle der
Fantasie freien Lauf - 400 Leute wirkten
bei Produktion mit
5.
August 2005
von Hans-Erdmann Gringer
Seine
Schöpfungen sind mal kess, mal fröhlich,
mal traurig. Aber sie sind immer
liebenswert. Die Kinder konnten sich an
ihnen einfach nicht satt sehen. Wenn der "Kleine
Eisbär" mit seinen Abenteuern über
die Leinwand flimmerte, waren auch Eltern
gerührt. Tony Loeser, Chef der
erfolgreichen halleschen Trickfilm-Firma "Motionworks",
die den Film mitzeichnete, will in dem
Zusammenhang seinen heftigen Hang zu
Romantik und Fantasie nicht verleugnen. "Ich
bin mit Comics aufgewachsen. Donald, Hase
und Wolf, Fix und Fax und die Digedags
waren mein Lesefutter, meine Welt."
Der mittlerweile 52-jährige
Wahl-Hallenser hat ein Privileg: Er hat
sein Kindheitshobby über Umwege -
Fotograf, Studium, Kameramann - zum Beruf
gemacht. Loeser produziert
Zeichentrickfilme. Und er hat an der Saale
und darüber hinaus inzwischen eine
Menge Leute dazu gebracht, seine
ausgefallene Passion zu teilen.
Musikalische Helden
Das neueste Werk, nach seinen Worten der
erste vollständige Animationsfilm überhaupt
aus Sachsen-Anhalt, trägt den Titel "Globi
und der Schattenräuber" und
kommt am 18. August in die Kinos. Globi
ist ein sprechender Papagei, dem der
Schweizer Autor Robert Lips in rund 60
Kinderbüchern Leben einhauchte.
Loeser hat den tierischen Helden nun zum
Leinwand-Darsteller erhoben. Der erlebt
mit den zwei unzertrennlichen
musikalischen Helden Benji und Lucinda,
einem Roboterei, einen erfolglosen
Trommler und dessen rättischen Helfer
wahrhaft Erschreckendes, Abenteuerliches.
Aber Loeser beruhigt: "Am Ende wird
aber alles gut."
Damit wagt sich Loeser auf Neuland. Alles
ist moderner, peppiger als im
traditionellen Zeichentrickfilm. Loeser
nahm sich die Darstellungskunst der Mangas
genannten japanischen Comic-Zeichnungen
zum Vorbild. Dazu hat er den renommierten
Trickfilm-Zeichner Takashi Masunaga als
Partner gewonnen. Der war vor Jahren von
Loeser nach Halle zu einem internationalen
Zeichenkurs als Lehrer eingeladen worden
und zeigte sich beeindruckt von der
Saalestadt. Masunaga sagte seine Mitarbeit
zu. Unter Führung des englischen
Autors Peter Lawrence entwickelte ein Team
von 20 bis 30 Helfern gemeinsam mit Loeser
die Handlungsstränge der Geschichte,
bevor es ans eigentliche Gestalten ging.
Vor drei Jahren dann der Start in Halle.
Während die Film-Hintergründe
elektronisch am Computer entwickelt
wurden, entstanden die Charaktere und die
Vordergründe per Handzeichnung. 72
Minuten lang ist der Film. Für eine
Sekunde Film mussten 30 bis 50 Blätter
gezeichnet werden - mehr als 250 000
Zeichnungen. 22 fest angestellte Leute,
darunter ehemalige Studenten, ein
Klempner, ein Koch, werkelten in Halle an
dem Projekt ein ganzes Jahr, zusätzlich
kamen 70 freie Mitarbeiter. Es folgten
dann noch Monate, um die Musik
einzuspielen, Bilder zu schneiden und Töne
zu mischen. Im Film sind nun Herbert
Feuerstein als Globi, Wigald Boning als
Ratte zu hören.
Das Jugend-Sinfonieorchester
Sachsen-Anhalt steuert die Filmmusik bei.
Summa summarum: Insgesamt 400 Helfer aus
ganz Europa waren an dem Film beteiligt.
Beim Kinderfilm-Festival "Goldener
Spatz" lief "Globi" schon
vorab und kam bei den Sechs- bis Zwölfjährigen
gut an, so Loeser. Auf einem
Trickfilm-Festival in Lettland gewann er
unter 130 Filme den ersten Preis. Nun
warten alle auf den 18. August, und
Masunaga kommt zur Film-Premiere extra aus
Los Angeles nach Halle.
Hintergründe aus Halle
Die Firma "Motionworks" wurde
erst vor sieben Jahren gegründet.
Inzwischen hat sie in der Branche Gewicht,
europaweit. "In Deutschland kann man",
so Loeser, "die Trickfilmproduzenten
an einer Hand abzählen". Seine nächsten
Projekte werfen schon ihre Schatten
voraus. Im zweiten Teil des "Kleinen
Eisbären", der im September in
die Kinos kommt, stammen 20 Minuten
Animation und Film-Hintergründe aus
Halle. Für den WDR entsteht die
26-teilige TV-Serie "Drei Freunde",
die ab Oktober in der "Sendung mit
der Maus" zu sehen sein wird. Und
neuen Folgen der "Piratengeschichten"
laufen als Puppentrickserie ab September
im "Sandmann".
Bei all den Projekten kann Loeser fest
auf seine Mitarbeiter bauen. "Gute
Leute kommen nicht für Geld, sondern
für interessante Projekte."
Keiner der Mitarbeiter lege nach acht
Stunden den Bleistift aus der Hand und
gehe heim. "Bei solch großen
Produktionen muss man ungeheure Opfer
bringen und wird nicht reich dabei. Aber
sie setzen bei allen Beteiligten auch große
Energien frei", sagt Loeser. "Die
Leute haben bei aller Ernsthaftigkeit
einen Riesen-Spaß." ©
Mitteldeutsche Zeitung, 5.8.2005 - Alle
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