 
Was
bin ich?
Der
TV-Entertainer Herbert Feuerstein verlegt
sich ganz aufs Schreiben und bringt wieder
mal ein Buch heraus
20.
August 2005
von CHRISTINA MARIA BERR
Der
Dom ist zu groß. Er passt nicht aufs
Foto, nicht ganz zumindest. Die
umliegenden Gebäude verstellen die
Sicht. Täglich verzweifeln in Köln
Hunderte Japaner daran, den Kölnern
ist das egal. Doch einen gibt's, der
Mitleid hat, der über das Domproblem
stundenlang sprechen kann: Herbert
Feuerstein. Er hat die Urlaubsfotografen
auf seinen Reisen in der ganzen Welt
beobachtet, aber nirgends sind sie so
verzweifelt wie hier.
Der Autor und Entertainer sitzt auf der
Terrasse eines Oma-Cafés mit weißen
Plastikstühlen und Blümchentischdecken.
Direkt daneben arbeiten Handwerker mit
einem Presslufthammer. Es ist laut und
staubig. Die Kellnerinnen sind
unfreundlich. Hinter ihren Rücken
streckt ihnen Feuerstein blitzartig die
Zunge raus.
Der Mann, der im Fernsehen schon viele
komische oder halb komische Rollen
spielte, hat soeben wieder mal ein Buch
herausgebracht: Frauen fragen
Feuerstein, ein Sammelsurium von
Interviews, Glossen, Reportagen und
Sketchen der alten Sendung Schmidteinander
mit Harald Schmidt. Ein Best-of. "Das
ist mein Beitrag zum Recyclen", sagt
er, und dass man den Buchpreis als
Dosenpfand ansehen könne. Eigentlich,
findet Feuerstein, sollte so etwas nur
gedruckt werden, wenn man tot ist. Aber
bis zum Erscheinen der Werkschau - so
nennt er es - könnte er sich ja noch
umbringen: "Noch bin ich nicht tot.
Nicht ganz jedenfalls."
Zwang zum Kalauer
Sagt's, und wie aufs Stichwort kommt ein
Junge, um nach einem Autogramm zu fragen.
In Köln kann der Entertainer nach wie
vor nicht unbemerkt über die Straße
gehen. Sein markantes Gesicht mit der
Brille und dem spitz zulaufenden Pony fällt
auf. Dabei ist Feuerstein mit 1,65 Metern
nicht gerade groß. "Das ist die
Normgröße von etwa zwei
Milliarden Asiaten." Aber: Feuerstein
wirkt vor allem so klein, weil sein
ehemaliger TV-Partner Harald Schmidt mit
1,94 Metern so groß ist. Der
spannenlange Harald und der
kleinknubbelige Herbert - ein perfektes
Komikerteam.
Von 1990 an brachten die beiden vier Jahre
lang 50 Schmidteinander-Sendungen
im WDR heraus - momentan werden sie im NDR
wiederholt. Eine satirische Show mit
Sketchen, Parodien und prominenten Gästen.
Die Witze gingen meist auf Kosten von
Feuerstein. Doch der wollte es so: Er
hatte die Texte ja geschrieben. Als die
Sendung wegen Zuschauermangels abgesetzt
wurde, trennten sich die beiden. Seither
haben sie kaum noch Kontakt. Feuerstein
vermutet, dass sie den inszenierten Streit
der Sendung auch privat austragen könnten.
Dazu kommt eine unterschiedliche
Arbeitsmoral: "Ich war Schmidt immer
zu neugierig und zu perfektionistisch. Das
hat ihn genervt und gelangweilt." Die
Zeit mit Schmidt vergleicht er mit seiner
ersten Ehe: "Beides ist lange her."
Nach wie vor fällt es schwer, sich
Feuerstein ohne Schmidt zu denken. Das ist
dem Entertainer lästig, aber er
selbst hat acht Best-of-Sendungen Schmidteinander-Das
Beste herausgebracht. Diese erschienen
später auf Video, dann auf DVD. Nun
hat ihm der König des
Late-Night-Talks zum Geburtstag den Song
Sex Machine in seiner Show als Ständchen
gebracht. Feuerstein fand's witzig.
Auf der Kaffeehausterrasse versteht man
mittlerweile sein eigenes Wort nicht mehr.
Es ist ungemütlich. Aber der Eigenbrötler
Feuerstein mag öffentliche Orte
ohnehin nicht. Er geht nicht auf
Veranstaltungen, macht um Kneipen einen
Bogen, und selbst zu Hause will er außer
seiner Frau niemanden sehen. Er
charakterisiert sich als nicht teamfähig
und Spaßbremse. "Ich gehe nie
zu einer Party, lade nicht ein. Ich bin
ein Muffel. Wenn ich mit Leuten zusammen
bin, störe ich nur." Freunde
muss er nicht sehen, es genügt ihm,
dass es sie gibt. Seine früheren
Partybesuche endeten meist in einer
Katastrophe: "Ich habe mich in der
Besenkammer versteckt. Stundenlang. Alle
haben gedacht: Was passiert da? Aber im
Unterschied zu Boris Becker war ich allein
dort, nur mit richtigem Besen."
Wer ihm begegnen will, muss in fremde Länder
fahren: Reisen ist Feuersteins
Leidenschaft. Von Moldawien bis zur Südsee,
von Alaska bis Oman - er hat fast die
ganze Welt gesehen und darüber
Reportagen gemacht, erst für den WDR,
später für Sat 1. Über
seine Dreharbeiten schrieb er drei Bücher.
Feuerstein verwertet sich gut.
Fragt man den Bambi-Preisträger nach
seinem Beruf, sagt er: Beim Arzt sei er
Patient und im Ausland Schauspieler, weil
er als Journalist nur Schwierigkeiten
bekomme - aber eigentlich fühle er
sich als Schreiber: "klatschsüchtig,
aber ungesellig". Und tatsächlich
ist seine Karriere die eines Autors: Von
1956 an studiert er mehrere Jahre am
Salzburger Mozarteum Klavier und
Komposition. Parallel schreibt er bereits
erste Musikkritiken im Salzburger Demokratischen
Volksblatt, für das auch Thomas
Bernhard als Gerichtsreporter arbeitet.
Beide können sich nicht ausstehen. In
einem Text beleidigt Feuerstein den Präsidenten
des Mozarteums. Er wird aufgefordert, das
Institut zu verlassen, und folgt seiner
Freundin und späteren Ehefrau, einer
Hawaiianerin, im Alter von 23 Jahren nach
New York. Dort schreibt er als Redakteur
der New Yorker Staatszeitung. Nach
neun Jahren geht er nach Deutschland zurück
und wird Leiter des Pardon-Verlags
Bärmeier & Nikel.
Normal phobisch
Dort reicht eine junge Autorin aus Wien
ihre Texte ein. Feuerstein findet die
Geschichten sehr gut - und lehnt ab. Die
Frau landet schließlich bei Rowohlt.
So gesehen sei er schuld am Nobelpreis von
Elfriede Jelinek, sagt Feuerstein. Und
grinst. Noch heute ist er mit ihr
befreundet. Beide sind scheu, leben zurückgezogen,
haben einen Zwang zum Kalauer und ein
diffiziles Verhältnis zur österreichischen
Heimat. Feuerstein macht eine Ausnahme: "Nur
wenn es um Germknödel geht, werde ich
zum Österreicher." Ansonsten
verschleiert er seine Herkunft und spricht
ohne Dialekt.
Von 1971 an leitet der Komiker zwanzig
Jahre lang das Satire-Magazin MAD
und schreibt in dieser Zeit auch Texte für
Radio- und Fernsehshows. 1986 tritt er im
WDR mit seiner ersten eigenen TV-Sendung (Wild
am Sonntag) auf, später wird er
Mitglied des Rateteams Pssst!, wo
er Harald Schmidt begegnet. Mittlerweile
hat sich Feuerstein aus dem TV-Business
zurückgezogen. Von der Ratesendung
Was bin ich? werden gerade die
letzten Folgen auf Kabel 1 gezeigt. Über
das Ende ist Feuerstein nicht begeistert:
"Wir hätten das ewig
weitergemacht, weil's einfach so lustig
war." Nun synchronisiert er und geht
mit seinen Büchern auf Lesereisen.
Immer wieder tritt er als Konzertführer
auf und übernimmt Theater- und
Opernrollen - zuletzt als Frosch in der Kölner
Inszenierung der Fledermaus von
Johann Strauß.
Es scheint, als würde Schreiben für
Feuerstein zunehmend wichtiger. Er hat
schon eine Idee zu einem neuen Buch - mehr
will er nicht verraten. Seine Frau unterstützt
ihn in dieser Arbeit. "Wahrscheinlich,
weil mich das ruhig stellt." Die
TV-Arbeiten musste er dagegen eine Zeit
lang vor ihr verheimlichen. Sie wollte
nicht, dass er so viel Fernsehen macht.
Dabei arbeitet sie in der Redaktion von Jörg
Pilawas Quizshow. Grit Bergmann ist 35
Jahre jünger als ihr Mann. Es ist
seine dritte Ehe. Über seine zweite
Ehe spricht er nicht. "Das ist mein
persönlicher Tabubereich." Überhaupt
habe er alles, was er preisgeben wolle, in
seinen Reisebüchern versteckt. Die
autobiografischen Details stimmten,
versichert er.
Aufgewachsen ist Feuerstein in Zell am See
bei Salzburg. Sein Vater, ein
Bahnangestellter, war bekennender Nazi.
Die Mutter beschreibt er als hysterisch
und lieblos: "Sie wollte mich immer
zur Normalität erziehen." Das
klappte nicht. Feuerstein wurde phobisch.
Eine Therapie brach er ab. Erst mit 30, so
sagt er, bekam er sein Leben, in den
Griff. "Das war, als ich akzeptierte,
dass ich atypisch bin." Wahrlich hat
er skurrile Angewohnheiten. Wenn der
Spiegel herauskommt, wartet er, bis die
Ausgabe veraltet ist, dann erst liest er
sie. Warum? "Die Welt ist sinnlos,
man selbst auch."
Feuerstein ist Frühaufsteher, Frühstücker
und Mittagsschläfer. Eine Stunde legt
er sich täglich hin. So macht er aus
einem Tag zwei. "Ich habe zwei
Eigenschaften: Arbeitsdrang und Neugier.
Die führen zu nichts, zwingen mich
aber ständig, etwas zu tun."
Herbert Feuerstein drückt seine
Mittelfinger gegen die Armlehnen der weißen
Plastikstühle. Dann schnellt eine
Hand nach vorne und zupft ein winziges
Fusel vom Pullover seines Gesprächspartners.
Das hat ihn schon die ganze Zeit gestört.
Harald Schmidt hatte Recht: Dieser Mann
ist Perfektionist. ©
Süddeutsche Zeitung, MEDIEN, S. 32 -
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