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HARALD SCHMIDTS "PSSST...":

Tränen, Testikel und ein vergoldeter Hintern

15. Februar 2007

VON SEBASTIAN FISCHER


Harald Schmidts Retro-Quiz "Pssst..." ist zurück. Zwischen Bildungsbürgertum und Bruce Willis kam der nötige Nonsens auf, den die ARD im Vorabendprogramm so dringend braucht. Ein Glücksfall.

Der Höhepunkt kommt mit dem vierten Gast. Dem prominenten. Das ist heute Klamaukmacher Rick Kavanian. Aber das ist auch egal. In dieser Sendung waren die Gäste schon immer ziemlich nebensächlich. Sie sollen eh nur mit "Ja" oder "Nein" antworten.

Und dass Kavanian als süßes Geheimnis das Absondern von Tränenflüssigkeit beim Beschauen eines Ricky-Martin-Konzerts mit sich trägt (was das Rateteam herausfinden soll), das ist jetzt auch nicht der Knaller. Es war ja noch nicht mal ein Heulkrampf.

Nein, wichtig ist nicht der Gast. Wichtig bei "Pssst..." ist allein das Rateteam. Dessen Debattierneigung. Je schwachsinniger, desto besser. Und Harald Schmidt. Natürlich.

Ratemann Frank Plasberg ("Hart aber Fair", knapp gescheiterte "Sabine Christiansen") kommt nach Schmidts Kurzeinweisung ("Bei Ricky ließ Rick es richtig laufen") ziemlich schnell auf den Dreh mit den körperlichen Ausscheidungen: "Wären Sie damit bei Harald Schmidt oder Stefan Raab besser aufgehoben?", fragt Plasberg. Kavanian sagt nur "weder noch" - aber Schmidt haut schnell dazwischen: "Bei Kerner!" Das Publikum grölt.

Und Plasberg macht mit: "Das wäre dann ja betreutes Pinkeln." Die Leute im Studio schlagen sich auf die Schenkel. Und Harald Schmidt übt sich in Schlagfertigkeit: "Das ist bei Silbereisen!" - der 25-jährige Florian Silbereisen darf mit Gebührengeld regelmäßig geriatrische Feste der Volksmusik in der ARD ausrichten. Späße auf seine Kosten kommen beim werktäglichen ARD-Studiopublikum um 18.50 Uhr an diesem Donnerstag offensichtlich prima an.

Wir sind mittendrin in "Pssst...". Herrlich.

Die Sendung ist uralt, in den Achtzigern in Amerika erdacht, bei uns im ersten Jahrfünft der Neunziger gelaufen. In der ARD und mit Harald Schmidt - als er am Anfang seiner Fernsehkarriere stand. Nun ist "Pssst..." zurück, weil das Erste Deutsche Fernsehen mit diversen Varianten von TV-Seriengedöns nicht gegen das TV-Seriengedöns der Privaten ankam. Und Harald Schmidt ist zurück. Ein bisschen älter, ein bisschen grauer - aber mit besserer Brille. Auch Herbert Feuerstein ist wieder im Rateteam: nicht gealtert, nicht verändert, gleiches Kassengestell wie damals.

In der neuen Staffel sollen verschiedene Teams antreten. In der ersten Sendung neben Feuerstein und Plasberg am Start: Jenny Elvers-Elbertzhagen (Heide-Königin, Heiner-Lauterbach-Ex, Schauspielerin) und Christine Westermann (WDR-"Zimmer frei"). Die Regeln: Jeder aus dem Rateteam darf sich 30 Sekunden fragend am Geheimnis des Gasts abarbeiten, danach geht es in die offene Runde. Vier Geheimnisträger sind jeweils zu Besuch, darunter ein Prominenter.

Die erste Sendung nach elf Jahren Pause beginnt mit Doris aus Idar-Oberstein. Ihr Geheimnis: Sie sah den 1955 in der rheinland-pfälzischen Garnisonsstadt zur Welt gekommenen Bruce Willis als Fünfjährigen in Windeln. Als Schmidt scherzt, wo "ein Willis ist", da sei auch ein Weg, dämmert es allen - bis auf Feuerstein. Der versteht "Wo eine Windel ist, da ist auch ein Weg" und muss dem sehr engagierten Kollegen Plasberg die Lösung überlassen. Schmidt treibt dann noch ein bisschen Konversation mit Doris ("Wie war er denn so als Kind, der Bruce?" - "Niedlisch!"). Dann geht's weiter mit Christian.

Der Mann aus Bayreuth hat sich "den Arsch vergolden lassen" (Schmidt). Was steckt dahinter? Sofort kümmern sich Westermann, "Frau Jenny" (Schmidt) und Plasberg sehr konstruktiv um des Rätsels Lösung: "Mussten Sie die Hose runterlassen?" (Plasberg), "Machen Sie damit etwas platt?" (Westermann), "Treiben Sie Sport mit Ihrem Popo?" (Elvers-Elbertzhagen). Nur Herbert Feuerstein bleibt den Neunziger-Traditionen von "Pssst..." treu: Er redet Nonsens. Ob er sich "nicht zufällig in einen Kessel mit geschmolzenem Gold gesetzt" habe, fragt er den ziemlich perplex wirkenden Christian. Nö. Na gut, jetzt kommt ihm Feuerstein aber auf die Schliche: "Ich ahne was, Sie sind Kunstfurzer."

Am Ende ist der junge Mann Arschbombenweltmeister. Was den als Hypochonder bekannten Harald Schmidt noch kurzzeitig veranlasst, sich Sorgen um dessen Testikel zu machen. Das wiederum lässt den daheim vor der Mattscheibe sitzenden Bildungsbürger aufjauchzen, denn nur er weiß ja, dass Testikel die männlichen Hoden bezeichnen. Arschbombenmensch Christian im Fernsehen weiß hingegen nur zu berichten, dass "der Schmerz um einiges leichter zu ertragen ist, wenn man anspannt".

Schmidts "Pssst..." ist so wunderbar altmodisch. Das Bühnenbild ist billig, Chic der frühen Neunziger. Und das einzig Moderne an der Sendung ist die Werbeunterbrechung. So kann's weitergehen, insgesamt zwölf Folgen lang.

© Spiegel Online - 15.2.2007 - Alle Rechte vorbehalten -