Harald
Schmidts Quizshow "Pssst..."
Das Leben als
Kreativpause
15. Februar 2007
VON CHRISTIAN KORTMANN
Anstatt mühsam
neue Formate einzuführen, macht Harald Schmidt ganz entspannt das,
was er schon immer gemacht hat. Am Donnerstag feierte er im
ARD-Vorabendprogramm das Comeback seiner Quizshow "Pssst..."
Als Harald Schmidt im Herbst des Jahres 2003 das plötzliche Ende
seiner Late-Night-Show auf SAT 1 verkündete, da herrschte in der
Branche Einigkeit: Das wars mit der Fernsehfigur Schmidt, seine
angekündigte "kreative Pause" würde sich zum
kreativen Ruhestand auswachsen. "Er hat alles erreicht, was will er
jetzt noch machen?", sinnierte damals ein bekannter
Fernsehproduzent.
Es war eine rhetorische Frage, der die Vermutung zugrunde lag, Schmidt würde
nun vor allem als Privatier zu Hause mit Mozart am Flügel sitzen,
die Welt bereisen, ab und an Theaterbühnen beehren und ansonsten
ohne Erbarmen via Interview über seine hoffnungslos unterlegenen
Kollegen ätzen. Er hätte seine zweite Lebenshälfte also
bequem im erprobten Rudi-Carrell-Stil verbringen können.
Die Weltreise unternahm er dann auch, doch kehrte er ebenso überraschend
wie er aufgehört hatte zurück auf den Bildschirm. Äußerlich
trug er zwar graues Wallehaar und Rauschebart, sonst blieb aber alles
beim Vertrauten: Schmidt war zurück in der ARD, wieder zu Hause
beim WDR und hatte alle vermeintlichen Branchenkenner Lügen
gestraft. Anstatt sich klischeehaft "neu zu erfinden", machte
Schmidt einfach weiter das, was er schon immer gemacht hatte: eine
nonchalante Abendshow.
Am Donnerstagabend um 18.50 Uhr gab Harald Schmidt seiner Karriere eine
neue Wendung: Er moderiert nun wieder das charmante Quiz "Pssst...",
mit dem er in den Neunzigerjahren im WDR ein treues Publikum gewonnen
hatte. Jetzt läuft die angenehm bescheidene Show im
ARD-Vorabendprogramm, und dass der Fernsehstar Schmidt sich in die
Niederungen des Werberahmenprogramms begibt, ist weiterer Ausdruck
seines Non-Konformismus, der ihn schon zu einer Gastrolle auf das ZDF-"Traumschiff"
und in Waldemar Hartmanns Olympia-Studio trieb. Wo andere Sender und
Moderatoren bemüht neue Formate entwickeln - "Schlag den Raab",
Kochen bei "J. B. Kerner" oder "Extreme Activity" -
schlüpft Schmidt einfach in die konventionellen und betreibt
Medienkritik durch vollständige Affirmation.
Die Sendung "Pssst..." lebte schon immer von ihrer ironischen
Brechung: Ein wechselndes, vierköpfiges Rateteam muss das Geheimnis
eines Gastes erraten, das in einer besonderen Eigenschaft oder einem
Erlebnis besteht. Zu gewinnen gibt es nichts. Am Donnerstagabend, beim "Pssst..."-Comeback
in der Gegenwart, war zum Beispiel Karolin zu Gast, die fließend rückwärts
sprechen kann. Schmidt umschrieb ihr Geheimnis mit den Worten: "Bei
Karolin bleibt Otto der gleiche." Knackt das Team den Fall nicht in
der vorgegebenen Zeit, ertönt der Enten-Rufer, dessen quakendes Geräusch
der Soundtrack dieser postmodernen "Was bin ich?"-Variante
ist.
Unterhaltungsgigant im Minimalfernsehen
In farbenfroher, ein wenig unaufgeräumter Kulisse bestand das
Rateteam aus Christine Westermann, Frank Plasberg, Herbert Feuerstein
und Jenny Elvers-Elbertzhagen, als selbsternannte "Quotenblondine"
erste Anspielstation für Schmidts Ironie. "Zimmer frei"-Moderatorin
Christine Westermann zeigte, was für eine gute Fragerin und Zuhörerin
sie ist, und lüftete das Geheimnis des ersten Gastes, einer Frau,
in deren Haus Bruce Willis zur Welt gekommen ist.
Zunächst hat die ARD 12 "Pssst..."-Folgen produziert.
Vor allem für die Wiedervereinigung von Schmidt und Feuerstein und
ein Auflodern ihrer so oft zur Schau gestellten Hassliebe muss man
dankbar sein. Am Donnerstagabend war diese ansatzweise erkennbar, als
Feuerstein vom Entenrufer die Fragezeit abgeschnitten wurde. Insgesamt
ist die Interaktion von Schmidt und seinem Rateteam jedoch noch ausbaufähig.
"Pssst..." zeigt, wie sehr der Unterhaltungskünstler
Harald Schmidt von einem strikten Format profitiert, seine ARD-Lateshow
leidet ja oft unter der Formlosig- und Beliebigkeit des Ablaufs. Schmidt
ist am besten, wenn er weiß, was er zu tun hat, witzig wird es
dann meist von selbst, weil eben Schmidts Umgang mit der Welt humorvoll
ist. Das merkte man auch in der ersten "Pssst..."-Folge
wieder:
Prominenter Gast war Schauspieler und Komiker Rick Kavanian, dessen
Geheimnis darin bestand, dass er bei einem Ricky-Martin-Konzert geweint
hatte. "Wären Sie mit Ihrem Geheimnis besser bei Stefan Raab
aufgehoben oder bei Harald Schmidt?", fragte ihn Frank Plasberg. "Bei
Kerner", warf Harald Schmidt ein. Plasberg: "Das wäre
betreutes Pinkeln." Schmidt: "Nein, das ist Silbereisen!"
Hoffentlich wird "Pssst..." spät nachts von den Dritten
Programmen wiederholt. Denn dann sieht meist die Klientel fern, für
die der TV-Abend frühestens mit den "Tagesthemen" beginnt
und die sich wehmütig an Harald Schmidts ganz große Zeiten in
seiner ersten Lateshow "Schmidteinander" erinnert, als er das
Fernsehen zusammen mit Feuerstein in selten anarchische Bereiche führte.
Harald Schmidt ist sich bewusst darüber, dass er in "Pssst..."
als Unterhaltungs-Gigant ein Format des Minimalfernsehens bespielt. Er
nutzt diese Fallhöhe, um an seinem eigenen Mythos weiterzuarbeiten:
Die Reklameunterbrechung heißt bei "Pssst..." nicht
Werbung, sondern "Kreativpause".
© Süddeutsche
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