Godehard Wolpers war an
den meisten von Feuersteins eigenen Fernsehsendungen kreativ und
produktiv beteiligt. Er wurde bei "Schmidteinander" regelmäßig
"verprügelt", produzierte "Feuerstein Reisen"
und wird von Feuerstein in dessen Büchern für diverse
Mordanschläge verantwortlich gemacht. Genug Gründe für
ein
Interview
mit Godehard Wolpers
Durchgeführt am
22. Februar 2006 in Köln.
STECKBRIEF:
Name?
Wolpers..., Vorname hab ich vergessen (Godehard)
Geboren?
7.5.1967
Studiert?
Germanistik, Politik, Geschichte auf Magister in Köln, alle Scheine
zusammengetragen, aber die abschließenden Prüfungen nicht
mehr gemacht, weil von Feuerstein zum Fernsehen gezwungen.
Familienstand?
Verheiratet, zwei Kinder.
Derzeitiger Beruf?
Producer /Redakteur/Produzent (möchtegern)
Wann und wo
war deine erste Begegnung mit Feuerstein?
1990 im Büro des damaligen WDR-Unterhaltungsschefs Hugo Göke.
Weil Feuerstein zu Beginn von "Schmidteinander" eine
studentische Hilfskraft brauchte, die einen Hausausweis hat, damit man
ihn mit diversen Geschichten, MAZ-Material, etc. versorgen konnte. Ich
war zu der Zeit studentische Hilfskraft im WDR und wollte in der
Unterhaltung arbeiten und da hat sich das ergeben.
Hast du früher MAD gelesen?
Nein. Ich kann mich erinnern, dass es in der Schule mal so einen
Wichtel-Tag gab, und während ich leere Schulhefte weitergewichtelt
habe, hab ich mal irgendwo ein MAD-Heft gekriegt. Ich glaube, das war
das einzige Mal.
Ich fand`s natürlich wahnsinnig lustig, das war fantastisch und ich
wurde daraufhin lebenslanger Abonnent und krieg's auch heute noch.
Du warst also von Anfang an bei "Schmidteinander" dabei?
Jein. Bei der ersten Sendung waren wir noch nicht dabei, aber die haben
wir gesehen und wir hatten mit unseren kleinen Produktionsfirma 08/15
Entertainment auch ein Konzept, und damit hatten wir uns auch bei der
Redakteurin beworben und durften dann inhaltliche Vorschläge machen
für "Schmidteinander" und da waren dann so Waschzettel
von unsinnigen Ideen. Von 40 Seiten hat Feuerstein dann anderthalb
genommen. Diese Vorschläge auf dem Papierwege wurden von Sendung zu
Sendung immer weniger und die Zusammenarbeit selbst immer konkreter.
Aber die ersten Mappen waren ganz umfangreich, und Feuerstein würde
sagen, er fand alles grausam, konnte dann aber genau das
Entgegengesetzte ganz toll machen.
Hat zu dem Zeitpunkt auch Schmidt dabeigesessen und gesagt, was er
gut und was er schlecht findet?
Nein.
Was waren deine Aufgaben, als die Sendung lief?
Das war so eine Mischung aus Redaktionsassistenz, Prügelknabe und
Mädchen für alles. Man wurde nicht zuletzt dafür im
Programm verprügelt, weil man relativ vogelfrei sagen konnte, was
man gut und was man nicht gut findet. Der betreuende Redakteur Michael
Au hat sich mehr auf die Musik gestürzt und hat die sonst machen
lassen. Und da Schmidt und Feuerstein das Konzept selbst entworfen
haben, selbst die Sachen geschrieben haben und das Programm selbst präsentiert
haben, hatten die natürlich zu ihrem Produkt nicht so einen
Abstand. Wenn die MAZen dann vorgeführt wurden, fanden die natürlich
alles toll. Natürlich findet ein Maskenbildner dann die Perücke
toll und ein Kameramann findet die Bilder ganz toll, und da gab's in der
Struktur Wenige, die gesagt haben: "MAZ Nummer 5 ist überhaupt
nicht lustig". Als man das zweimal gemacht hat und festgestellt
hat, dass man zwar eine auf den Deckel kriegt, das aber richtig ist, hat
das dann Spaß gemacht, in der Richtung mehr voranzuschreiten und
zu sagen, was richtig und was falsch ist.
Hattest du denn selber auch die Idee, dass man dich verprügelt,
oder woher kam das?
Das entstand in einer Probensituation. Ich hatte als Redaktionsassistent
die Aufgabe, redaktionelle Requisiten, z.B. Plakate, zu organisieren.
Und wenn mit einem Plakat - darum ging es, glaube ich, damals - gespielt
wurde, und ich jetzt aber draußen auf dem Flur herumlief, ergab
sich eine Probe, wo ich hätte im Studio sein müssen, da aber
nicht war, und Feuerstein sagte: "Wo ist eigentlich Wolpers?"
Darauf reagierte Schmidt und sagte: "Der gehört verprügelt!"
Und Feuerstein sagte: "Gute Idee!" und ab dem Zeitpunkt wurde
ich bzw. meine Puppe verprügelt. [Anmerk. d. Red.: Für Wolpers
wurde eine lebensgroße Stoffpuppe angefertigt, die quasi als
Stuntman für besonders brutale Aktionen herhalten musste.]
Stimmt es, dass du ursprünglich auch mal erschossen werden
solltest, und dass dann der Rundfunkrat da im Vorfeld interveniert hat?
Nein. In der letzten Folge sollte auch Wolpers endgültig erledigt
werden und Feuerstein und Schmidt hatten im Buch vorgeschlagen, dass da
eine Menschenkette steht, die mich auf unterschiedliche Art und Weise
verprügelt. Und darunter waren auch Skinheads mit Baseballschlägern.
Das war dem damaligen Unterhaltungschef Axel Beyer, der jetzt auch
wieder Unterhaltungsschef ist, zu rechtsradikal und das wäre zu
politically incorrect, und daraufhin wurde der Sketch so umgeschrieben,
dass ich mit Maschinengewehren erschossen werden durfte.
Gab es denn auch entsprechende Zuschauerreaktionen, wie z.B.
Mitleidsbriefe oder so was?
Ohne Ende! Es wurden für diese Geschichte ja auch Springerstiefel
geschickt, um mich treten zu können und verschiedenste andere
Dinge. Feuerstein erzählt ja auch bis heute, dass seine Lesungen zu
den Reisesendungen mit Wolpers hundert mal besser funktionieren, als
wenn Wolpers nicht genannt wird. Also der verprügelte Wolpers ist
bei den Leuten schon ein Begriff und wird sehr hochgehalten.
Wie lief denn die redaktionelle Planung der Sendung ab? Also, ihr
hattet alle 14 Tage Sendung, live. Wie kann man sich das ungefähr
vorstellen? Gab's da überhaupt Redaktionssitzungen größerer
Art?
Nö. Es gab eine Phase, wo zwei Wochen am Stück Einspielteile
und Sketche gedreht wurden. Dafür wurde das Buch erstellt in der
entsprechenden Phase davor. Und diese Live-Sendungen - eine davon war
lange Zeit immer eine Aufzeichnung, Mittwochs Aufzeichnung, freitags
live, oder so - und die sahen meist so aus, dass da plus minus zwei
Wochen vorher anfangs in der ersten Staffel Schmidt und Feuerstein den
Ablauf gebaut haben. Das war die Phase, wie gesagt, wo wir mit der
kleinen Firma Vorschläge auf dem Papierwege eingereicht haben.
Früher oder später stellte man aber fest bei dem Konzept, dass
Schmidt noch besser funktioniert, wenn er eigentlich mit dem Ablauf
nichts zu tun hat und die Ideen auch schlecht finden darf und überrascht
ist, nach dem Motto "ich bin zu Gast in meiner eigenen Sendung".
Im Großen und Ganzen hat man sich dann zwei Wochen vorher meistens
bei Feuerstein zu Hause getroffen, ist durchgegangen, was man so für
MAZen hat und hat dann einfach rumgesponnen und einen Ablauf gebaut. Mal
kam der Vorschlag, also ÜBERWIEGEND, zu 99% kam der Vorschlag natürlich
immer von Feuerstein, was gemacht wurde, und da hat man dann mal gesagt
"Find ich gut" oder "Find ich nicht gut", oder es
wurde weiter entwickelt. Natürlich kam auch von Schmidt die eine
oder andere Geschichte, die er machen wollte. So wurden dann die
Sendungen gebaut. Beispiel: Es flog eine Fliege am Schreibtisch vorbei
und im Brainstorming kam dann, man müsste mal was mit Fliegen
machen, und als alter Aquarianer und Terrianer, hab ich Feuerstein
gesagt, man könne Fliegen im Zoogeschäft kaufen. Und das war
dann das Schöne, dass Feuerstein auf solche Momente eingeht und
sagt "OK, wir lassen Fliegen frei." Das Problem war nur - um
die Anekdote gleich noch hintendranzuhängen - dass ich im Zoogeschäft
dann also Maden gekauft habe, die würden sich dann nach einer
gewissen Zeit verpuppen, und dann hat man halt Fliegen. Nur wollten
diese Fliegen nicht zeitgemäß zum Aufzeichnungstermin schlüpfen,
und ich musste dann noch einen Tag vorher recherchieren, wo ich jetzt
tatsächlich Fliegen herkriege. Und ich hab dann bei Bayer
Leverkusen bei diesem Forschungslabor tatsächlich einen Eimer
Stubenfliegen gekriegt, wo dann diese berühmten 10.000 Fliegen drin
waren. Statt geplanter Hundert. Und daraus wurde so dann spontan live
eine Riesennummer...
Und dann kamen natürlich die Jahreszeiten dazu, die Feste, und da
kannst du so ein paar Nummern drumherum basteln. Shows auf anderen Kanälen,
zu denen man einen Bezug gemacht hat, bestimmte Geschichten haben sich
weiterentwickelt. Es ging immer darum, wo schalten wir hin?, was machen
wir für ein N-Spiel?, und wenn du so gewisse Bausteine hast, kannst
du daran entlang basteln.
Die Schlagzeilen haben Schmidt und Feuerstein selbst gemacht. Das
Standup hat Schmidt selbst gemacht. Musiknummern kamen dazu...
Was war dein Lieblingsbeitrag oder deine Lieblingsrubrik bei "Schmidteinander"?
(überlegt lange) Die Fliegennummer war schon weit vorn (lacht).
Gab's dann wirklich Ärger hinterher, weil die das Haus
verseucht haben oder war das wieder eine Übertreibung von
Feuerstein?
Nein, drei Tage später sollte die "Hobbythek" in dem
Studio aufgezeichnet werden und sie konnten's nicht aufzeichnen, weil
halt die Fliegen sich nach wie vor im Studio aufhielten und es musste
ein Kammerjäger für 10.000 oder 15.000 Mark her, weil in allen
Lüftungssystemen auf einmal Fliegen waren. Das Studio wurde
runtergekühlt auf drei Grad, damit die Fliegen von der Decke
fallen, und dann wurde noch mal gespritzt, und nach mehreren Monaten war
das Studio dann wieder zu gebrauchen.
Ich kann mir vorstellen, dass Schmidt das gefallen hat, da er ja
gern in unterkühlten Studios arbeitet...
Ja, genau...
Wer war bei Schmidteinander grausamer zu dir, Feuerstein oder
Schmidt?
Grausamer zu mir? Feuerstein, Feuerstein und noch mal Feuerstein...
Nein, also, wenn's jetzt ehrlich sein soll: grausam ist nicht das
richtige Wort. Schmidt ist absoluter Profi, war sehr distanziert, hat
seine Sachen gemacht und fuhr wieder weg. Also man hat nicht wirklich
engen Kontakt mit Schmidt gehabt. Mit Feuerstein hat man intensiven
Kontakt gehabt, und das hat Spaß gemacht, da hat man sich
gekabbelt... Da ist ja auch längst Gras über alles gewachsen.
Wenn da alltägliche kleine Probleme gewesen sein sollten, die
damals zu Streit geführt haben, ist das heute längst
vergessen.
Es gab eine Reihe die hieß "Feuersteins Tierversuche",
die lief in Sandra Maischbergers Sendung "Freitag Nacht" bei
VOX. Hast du das mit produziert?
Ja. Das kam über die Freundschaft von Maischberger und Feuerstein.
Die kannten sich da gut, und das war aber eine Problembaustelle. Die
Sendung selbst humpelte, kam logischerweise mehr aus dem
Journalistischen und als bunter "Rauswerfer" wurde dann da
Feuerstein draufgesetzt, und das hat in dem Rahmen nicht funktioniert.
Wobei die Idee "Feuersteins Tierversuche" super ist, und wurde
ja von ihm auch immer mal wieder bei verschiedenen Sendern aufgegriffen,
aber als Rausschmeißer auf dem Abspann kriegt man das nicht erzählt.
Deswegen war es schön, dass wir für die diverse Sachen machen
konnten, aber natürlich geht ein SPIEGEL-Journalist an einen
Beitrag anders heran als ein Feuerstein. Und deswegen war diese
Zusammenarbeit nicht sehr fruchtbar.
Also das Format wurde von Spiegel TV produziert?
Ja.
Dann habt ihr "Spartacus" für die Sat.1-"Wochenshow"
zusammen gemacht?
Ja. Ich war damals "Wochenshow"-Redakteur, und es gibt in
Kanada ein Vorbild, da gab's diese Geschichten also schon. Und diese
Rechte hatte Brainpool gekauft [Anmerk. d. Red.: die Produkionsfirma der
"Wochenshow", "TV Total", "Axel!", etc.],
und ich hatte den Vorschlag gemacht, dass Feuerstein als "bester
Stuntman der Welt" doch ganz nett sein könnte. Und dann haben
wir da ein paar Folgen gemacht.
Das ZDF hat 1994 eine Reisereportage über Sansibar
ausgestrahlt. War das der Prototyp für "Feuersteins Reisen"?
Ja, Prototyp trifft's eigentlich ganz gut, oder Testsendung. Das ZDF
hatte damals eine Reihe mit wechselnden Prominenten, die damals
irgendwohin geflogen sind, produziert für wenig Geld von einer
kleinen Münchner Firma. Das war alles mehr schlecht als Recht. Ich
hatte damals von Feuerstein die Möglichkeit bekommen, das als
Rechercheur oder "Autor" für ihn zu machen und wir haben
dann schon gemerkt, dass die Sache an sich, also Thema "Reise",
spannend sein könnte. Aber wir waren mit der Umsetzungsweise nicht
zufrieden. Und natürlich sind wir mit der Idee dann zum Haussender
WDR gegangen, der uns das dankenswerterweise damals ermöglicht hat.
Und so ist "Feuersteins Reisen entstanden"
... Genau.
Wer hat denn die Reiseziele für die Sendung festgelegt?
In erster Linie Feuerstein, Feuerstein und dann ich. Es ging ja nicht
ums Festlegen, das war ja immer so ein Weihnachts-Sonderprogramm, was
einerseits schön war, andererseits aber auch ein Problem war, weil
dadurch nie eine Regelmäßigkeit entstand, dass man sagen
konnte, man hat mal hier 8 Folgen, dann macht man eine zweite Staffel,
sondern es war immer ein Sonderprogramm und das machte die Sache
kompliziert. Aber bei den jeweils drei Folgen haben wir immer gesagt,
wir brauchen ein kaltes Land, ein grünes Land und ein warmes Land.
...und New York.
Ja, es gab eine gewisse Affinität gegenüber Amerika wegen
Feuersteins Vergangenheit dort.
Das sind ja schon Drive-In-Reportagen, die wir da machen, also die sind
schon gut recherchiert und gebaut und wir versuchen dann schon in
relativ hoher Schlagzahl neue Geschichten zu erzählen. Also, nicht,
dass Feuerstein vor einem Restaurant steht und sagt: "Und hier kann
man toll essen", sondern, dass man hinter die Kulissen der Wall
Street kuckt oder auf einem Kreuzfahrtschiff tatsächlich drehen
darf und so was. Und bis das alles eingetütet ist, dauert das
schon. Und da bringt es aber nichts, wenn du sagst, Russland wäre
mal toll oder Indien. Du brauchst halt gewisse Infrastrukturen, um in
diesen 14 Tagen durch's Land zu ziehen. Und da sind dann genannte Länder
sicherlich komplizierter als die ausgewählten.
Was waren die größten Probleme auf den Reisen, was sowohl
Organisation als auch die Umsetzung betraf?
Feuerstein, Feuerstein, Feuerstein.
Nein, um ehrlich zu sein: es war eine sehr intensive Geschichte, es hat
wahnsinnig viel Spaß gemacht. Man ist immer 14, 15 Tage vor Ort, 5
Tage war's ein Traumjob, dass man im Hopserlauf durch die Gegend laufen
wollte, 5 Tage war's einfach nur Stress und Job und 5 Tage war's die Hölle,
dass man jeden Abend nach Hause reisen wollte. Weil: der Erfolg dieses
Programms lag nicht zuletzt darin begründet, dass wir diese Sachen
relativ autark vorbereitet haben - das war auch Feuersteins
Herangehensweise - und alles um so authentischer, interessanter,
lustiger wird, je mehr man Angst, Freude, Spaß - auch von
Feuerstein - ungestellt im Programm sieht. Und da sind natürlich
viele Dinge, die man nicht wirklich gerne macht. Er schon mal gar nicht.
Und das hat natürlich schon mal zu Konflikten geführt. Natürlich
talkt es sich leichter irgendwo im Restaurant als alleine auf einer
Eisklippe. Und da sich immer gegenseitig aneinanderrobben und zu sagen:
Komm, mach mal, ist gut... Und du weißt ja selbst, wie nachtragend
er sein kann... Aber meistens wurde dann drüber geschlafen und in
dem Moment, wo er's dann gesehen hat, fand er's meistens dann auch gut.
Aber z.B. für ihn mit das Schlimmste war mal eine letztendlich lächerliche
Rafting-Geschichte in Schottland. Also er im Neoprenanzug im Boot, und
du weißt, wie er das Wasser hasst, aber du kannst dir auf der
anderen Seite vorstellen, dass es nichts schöneres gibt, als
Feuerstein im Neoprenanzug Stromschnellen runterfahren zu lassen. Da
muss man halt entscheiden: was ist wichtiger?
Was hat er noch für spezielle Macken, Eigenarten oder Vorzüge?
Dafür reicht das Band nicht.
Gut.
Nein, er ist ein wahnsinnig liebenswerter, sympathischer, gut
aussehender, jung gebliebener, hoch gewachsener Freund und Kollege. Und
die Betonung liegt auf Freund.
OK. Noch mal zurück zu den Reisen. Die Sendung ist ja mal für
drei Folgen zu Sat.1 gewechselt. Was waren die Gründe dafür?
Dass es beim WDR nicht weiterlief, war das Problem in der Grundstruktur,
dass die Unterhaltungsabteilung es nicht zahlen wollte, weil sie sagten,
das müsse die Auslandsabteilung bezahlen. Und die Auslandsredaktion
wollte es nicht bezahlen, weil sie dachte, es ist ein
Unterhaltungsprogramm. Man muss sich den WDR so vorstellen: Die haben
ungefähr 34 Korrespondenten, die überall in der Welt in diesen
Ländern sitzen und sich nichts schöneres vorstellen könnten,
als mal zur besten Sendezeit eine tolle Reportage billig abzuliefern.
Und da kommt dann halt so ein lustiger Mann mit einem freien Team und
fliegt quer durch's Land und kriegt alles freigeschaufelt. Und wenn dann
der Intendant obendrein noch und die gesamte Geschäftsetage
ehemalige Korrespondenten und Journalisten sind, ist die Nähe zur
Unterhaltung sowieso dann immer natürlich schwierig. Und der damals
Verantwortliche, Jürgen Thebrath, ging dann als Korrespondent nach
New York. Somit war der Abteilungsleiter, unser Vertreter im Sender,
dann nicht mehr da. Der WDR wollte nicht weiter machen, deswegen sind
wir dann natürlich an einen anderen Sender herangetreten. Das waren
die ersten drei Wochen von Fred Kogel und Co., und da wurde das Programm
von Sat.1 völlig umgeschmissen, also Glückrad kam weg, obwohl
es sehr hohe Quoten hatte, aber das Publikum war zu alt und so weiter,
der Sender wurde überhaupt nicht gekuckt. Aber, was viel schlimmer
war: wir liefen irgendwie am zweiten Weihnachtsfeiertag gegen 19 Uhr und
ich erinnere mich wie heute, dass an dem Tag eine Oma sich in einer
Weihnachtsmesse mit einer Handgranate in die Luft gesprengt hat, und da
werden dann die "Heute"-Nachrichten natürlich sehr
interessant. Also die hatten dann irgendwie überdurchschnittliche
Quoten. Und dann auf einem schwierigen Sender zu dem Zeitpunkt hatten
die quotenbedingt natürlich kein Interesse gehabt, das weiterzuführen.
Dankenswerter Weise, mit der Hilfe von Hugo Göke, durften wir
wieder zurück zum WDR, dann aber nur drittes Programm. Das waren
dann auch tolle Folgen, da ist auch "New York" entstanden, "Mexiko"
und "Schottland", glaube ich. Das sind genau so schöne
Folgen. Aber wie gesagt, wenn du anfangs als Sonderprogramm gestartet
bist und immer nur so drei Folgen kriegst - bis der Zuschauer das
findet, immer wieder unterschiedliche Sendeplätze, immer wieder neu
starten und wieder weg - solange man das nicht etablieren kann, ist das
immer schwer.
Feuerstein hat ja diese so genannten "Mordanschläge"
auf ihn in seinen Büchern ausgiebig geschildert, sie ziehen sich
wie ein roter Faden durch die Geschichten. Hat er das bei den
Filmaufnahmen vielleicht schon mal so angedeutet oder so empfunden? Ist
das da vielleicht schon entstanden?
Naja, diese Aussage, dass es Tage gab, an denen man am liebsten nach
Hause hätte fahren wollen - es gab Drehs, wo ich nicht mehr dabei
war. Also wo ich Hundert Meter weiter auf einem Stein saß und
gewartet habe, bis sie fertig waren. Weil es nicht mehr ging. Wir sind
halt sehr intensiv und haben manchmal unterschiedliche Vorstellungen von
dem, was am Ende dabei rauskommen soll, auch wenn ich IMMER Recht habe,
und von da her sind das für ihn gefühlte Mordanschläge,
und ich würde mich freuen, wenn er nach wie vor nassgeschwitzt
aufwacht und sich allein auf einer Eisklippe sieht, oder auf einer
mexikanischen Pyramide. Aber, wie gesagt: die Bilder sind toll, die
Geschichten sind toll - er hat ja was davon.
Wann hast du zum ersten Mal davon erfahren, dass Feuerstein so was
geschrieben hat? Hat er dir gleich ein Exemplar zugeschickt von dem
Buch?
Ich hab ein Buch gekriegt mit einer Widmung. Aber ich durfte keine
Gegendarstellung erwirken.
Du hättest dir vielleicht die Anwälte von Thomas Anders
zulegen sollen.
Ja.
Wie teuer war denn so ein Reisefilm?
200.000 Mark. Was jetzt vordergründig für Außenstehende
vielleicht viel klingt, aber die ganzen Hotels, Reisekosten, Team - da
arbeitet ja ein dreiköpfiges Kamerateam über zwei Wochen. Und
dann der Schnitt, also allein wenn man einen Tag im Schnitt sitzt, ist
man 2000 Mark los und man schneidet an so einer Sache auch 4 Wochen.
Dann kann man sich das alles zusammenrechnen. Und von den 200.000 Mark
kriegt dann auch Feuerstein 190.000 Mark, da bleibt dann nicht viel übrig.
First-Class-Flüge usw....
Ja. Hin und wieder war er gnädig und hat das verrottete Team mit
nach vorne geholt, während er golfspielenderweise mit 8
Stewardessen im Arm in der Nase gebohrt hat. Ich weiß es nicht...
Dann kam irgendwann "Feuersteins Nacht". Wie ist da die
Idee entstanden?
Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Damals gab es noch
Testbilder in der Nacht oder so Bahnstrecken, die dann mit der Kamera
abgefahren wurden. Und wir haben dem WDR vorgeschlagen, eine Nacht im
Affenkäfig zu filmen oder in sonstigen Tiergehegen...
Mit Feuerstein?
Jaja, um zu kucken, ob Affen auch Halbmenschen lausen, aber dazu kam es
nie. Aber die hatten dann so ein Sommerprogramm und da war ein Platz
frei und da haben sie dann gesagt: macht doch mal! Meine Aufgabe ist
dann immer, wie gesagt, mit Feuerstein die Idee zu entwickeln und dann
aber für die organisatorische Umsetzung zu sorgen. Dass also
Rechercheure die Leute ranholen und dass die Struktur im Hintergrund
stimmt.
Das "Morgengrauen" zum Jahrtausendwechsel lief dann ähnlich
ab?
Ja, die suchten was Unterhaltsames ab 12 Uhr und da haben wir das dann
entwickelt.
Das war aber sicherlich nicht so aufwändig wie die vorherigen
Fernsehnächte, oder?
In der Erarbeitung schon, aber natürlich war der Severinskirchplatz
logistisch und produktionstechnisch schwieriger, letztendlich auch
inhaltlich spannender. Also es hätte ein schönes Format für
den WDR werden können. Man hätte früher oder später
eigentlich "Lindenstraße" live machen können. Man
stelle sich vor: Fußbroichs oder so, da hast du eine Terrasse,
kuckst mal da rüber und verfolgst so richtig das Leben. Hast ein
paar dusselige Ideen, die du da live machst. Aber dazu ist es dann auch
wieder nicht gekommen. In dem Moment, wo du immer nur einen Event hast,
wirst du auch immer nur als Event verkauft. Vielleicht hätten wir
es von vornherein als 60-Minüter anbieten sollen.
Meinst du, das hätte Feuerstein mitgemacht?
Nein. Obwohl - über kurz oder lang...
Gab's noch weitere Projekte und Ideen, die ihr nicht realisiert
habt?
Bestimmt. "Tierversuche" wollten wir auch mal als Format beim
WDR unterbringen. Auch das ist uns damals nicht gelungen.
Er wurde mal für eine Psycho-Show in der ARD angefragt, aber die
Entwicklung kam über die Kinderschuhe nicht hinaus. Aber für 8
Wochen war das ein großes Thema im WDR. Die Nächte im Zoo
waren angedacht. Vielleicht noch das ein oder andere, aber das ist jetzt
nicht der Rede wert.
Wenn du freie Wahl hättest und ein Riesenbudget: Welche Art von
Sendung würdest du dann am liebsten machen?
Das ist aber schwer! Es geht da jetzt nicht ums Geld sondern es geht ja
auch um Gesichter und einen Sendeplatz... ...
OK, du hast einen Sendeplatz.
Also, "Schmidteinander" war schon prima. Ich hab`s vorhin
schon einem anderen Kollegen erzählt. Was mir wahnsinnig Spaß
macht, ist, am Tisch eine Idee zu haben, oder wo auch immer, und die
wird dann durch das Fernsehen und durch die Protagonisten noch besser.
Also, dass man vor'm Schrim sitzt oder hinter der Kamera und sich
richtig wegschmeißt. Das war bei den Reisesendungen teilweise so,
also dass dann Momente passierten, wo nicht mit zu rechnen war - und
dann macht Fernsehen richtig Spaß. Und das war bei Schmidteinander
so. Wenn man eine Idee entwickelt hat, und die wurde durch Schmidt und
Feuerstein noch besser über den Schirm gebracht. In welche Richtung
auch immer: das kann kontraproduktiv gewesen sein, dass sie die Nummer
ganz schlecht gemacht haben. Aber sie war sehr lustig, und darauf
kommt's ja an. Und vieles, was man seit dem gemacht hat, muss man ganz
ehrlich sagen, ist dann Handwerk und Erfahrung, aber es hat oft die
Richtung, dass man es sich auf dem Papier super vorgestellt hat und in
der Ausführung wurde es - warum auch immer - durch die
Protagonisten, durch die Autoren, durch die Regie - schlechter. Wobei
die Schuld natürlich nicht immer nur bei denen zu suchen ist, natürlich
ist man da selber genau so involviert und hat genauso seine Finger im
Spiel. Aber dieses "Livige", die livige Comedy, wo Geschichten
passieren, bei denen man nicht weiß, wo die Reise hingeht, finde
ich schon ganz fantastisch.
Hast du vielleicht noch einen letzten Satz oder Gruß an
Feuerstein?
(lange Pause) Du merkst allein wie lange ich überlegen
muss... Was möchte ich Feuerstein im finalen Satz sagen... Ich mag
Fred Feuerstein sehr gern!
Nein... (lacht)
Du glaubst nicht, wie vielen so genannten "professionellen"
Redakteuren dieser Fehler noch passiert!
Ehrlich, ich hab ihm wahnsinnig viel zu verdanken. Er hat immer junge
Leute machen lassen. Und es ist immer mal wieder eine schöne
Zusammenarbeit. Ich kenne keinen anderen Rentenempfänger, der so
lustig ist, wie er. Und so wahnsinnig und so konfus und so kaputt, so
gut aussehend... womit wir wieder beim Thema sind.
Denk dran, du hast eine Familie.
(lacht) Nee, wirklich, ich hab dich lieb, Herbert!
Vielen Dank für das Gespräch! ©
Mario Müller - 22.2.2006 - Alle Rechte vorbehalten - |