Heiter
weiter mit den Schweinderln
von
Klaudia Brunst
"Welche
Sau woll'n Sie genau?", sagt er und
meint damit: Welches Schweinderl hätten"s
denn gern? Das muss sich schon einer
trauen, ausgerechnet den Lembke, Gott hab
ihn selig, zu machen. Aber Björn
Hergen Schimpf wäre nicht er selbst,
würde ihn in dieser sensiblen
Angelegenheit auch nur der Hauch eines
Skrupels umwehen. Ab heute lässt er
mit gleichem Titel und ähnlichem
Spielablauf ein altes Quizshow-Fossil
auferstehen.
Das heitere Beruferaten "Was bin
ich?" war im deutschen Fernsehen so
anhaltend erfolgreich wie bisher kein
zweites Format. Gestartet 1955, lief das
simple Frage- und Antwort-spiel bis 1989
337-mal über den Bildschirm. Es
widerstand mit zäher Beharrlichkeit
allen Modetrends des jungen Mediums wie
der Einführung des Farbfernsehens in
den Sechzigern (bis zum Schluss blieb die
Dekoration mausgrau). Die Diskutierwut in
den Siebzigern überlebte die Sendung
unbeschadet, und als Anfang der achtziger
Jahre das Privatfernsehen startete, konnte
auch das schrille Tamtam dem
ritualisierten Spielablauf nichts anhaben.
Längst hatten die Jungen, die
bereits als Kinder mitgeraten hatten, die
Sendung zum Kult erhoben. Erst durch
Robert Lembkes Tod, er starb 1989 fünfundsiebzigjährig,
war diesem Dauerläufer ein Ende
gesetzt. Zwei Nachfolgeformate - "Heiter
weiter" mit dem alten Rateteam bei
Sat 1 und "Ja oder nein" beim
alten Haussender Bayerischer Rundfunk -
wirkten wie Leichenfledderei und waren
alsbald mangels Erfolgs wieder vom
Bildschirm verschwunden. Zu frisch waren
noch die Erinnerungen an das Original, um
einfach so weiterspielen zu können.
Nun aber findet Kabel 1, es sei genügend
Zeit ins Teletubbieland gegangen, um
Robert Lembkes Testament zu eröffnen.
Der neue Spielshowboom, mit "Wer wird
Millionär?" vor kurzem
losgetreten, giert nach kleinen und großen
Spielideen. Und so wird Björn Hergen
Schimpf also mit Schweinderl und Fünfmarkstücken
ausgerüstet, in seiner kumpelhaft
schnodderigen Art kurzerhand die
Fernsehgeschichte zitieren.
Und vielleicht ist dieser Mann tatsächlich
genau der Richtige, um das Denkmal zu stürzen.
Denn der Tausendsassa Schimpf ist dem
Publikum gerade bekannt genug, um kein
Fremder sein, aber nicht derart auf eine
bestimmte Sendung abonniert, dass seine
neue Rolle die Zuschauer irritieren könnte.
Wie kein anderer hat Schimpf in den
letzten zwanzig Jahren die Vielfalt des
dualen Systems auch als persönliche
Freiheit begriffen: Es gibt kaum einen
Sender von Rang, bei dem der ehemalige "Bild
am Sonntag"-Redakteur nicht schon
unter Vertrag stand.
Seine RTL-Karriere startete er 35-jährig
noch als Radiomoderator bei RTL Luxemburg.
Mit "Guten Morgen, Deutschland"
und "Ein Tag wie kein anderer"
wurde er alsbald auch ein Fernsehgesicht.
Nach einem Jahr Auszeit wechselte er 1993,
ungewöhnlich für die damalige öffentlich-rechtliche
Personalpolitik, zur ARD, präsentierte
dort die Samstagabendshow "Einladung
zu Schimpf" und die "Glücksspirale".
Nach Gastspielen beim ZDF ("IQ-Show",
Außenmoderation bei "Wetten,
dass ...?") und beim Privatsender Vox
(Reisemagazin "Björns Welt")
landete er schließlich wieder bei
RTL.
Ausreichend Berufserfahrung bringt der
56-Jährige also mit, um sein heiteres
Beruferaten "aus dem Bauch" zu
moderieren. Diese Routine und seine
deftige Witzigkeit wird er wohl auch
brauchen. Denn Schimpfs Ratecrew ist mit
dem Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm,
der Sat 1-Talkerin Vera Int-Veen und der
Comedy-Schauspielerin Tanja Schumann
ausgesprochen schlagfertig besetzt, zudem
ist der Vierte im Bunde, Herbert
Feuerstein, für seinen
anarchistischen Humor landauf, landab
bekannt. Ganz so gediegen wie bei Robert
Lembke ("Gehe ich recht in der
Annahme, dass ...?) wird es also heute
Abend nicht zugehen.
Aber auch was diese veränderte
Tonlage angeht, gibt es in der
Fernsehgeschichte bereits eine brillante
Vorlage. Anfang der Neunziger nahm schon
mal einer die "Was bin ich"-Rituale
auf die Schippe: Für den WDR
wetteiferten Ingolf Lück, Mariele
Millowitsch, Elke Heidenreich und Herbert
Feuerstein in der Ratesendung "Pssst"
pointenreich um die Wette.
Den Lembke gab seinerzeit Harald Schmidt.
Noch so ein Kultmoderator. Berliner
Zeitung 5.10.2000 - Alle Rechte
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